Mode 2025: Ausblick mit Hindernissen

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Eine der wenigen Konstanten in diesen turbulenten Zeiten ist die Unsicherheit. Auch 2025 kehrt in der Modeindustrie keine Ruhe ein. Das schwierige Umfeld, das viele vorhergesehen haben, ist zur Realität geworden: Die Konjunktur hat sich abgeschwächt, Verbraucher:innen sind zunehmend preissensibel und der Klimawandel beschleunigt sich.

79%

der Führungskräfte glauben, dass sich die Bedingungen in der Branche 2025 verschlechtern werden..

Hinzu kommen die andauernde Umstrukturierung des weltweiten Handels und das regionale Gefälle, das sich weiter verstärkt. Zwar bieten sich den Unternehmen auch jetzt noch Chancen auf Wachstum und Kundengewinne. Aber wer sie ergreifen will, muss sich durch ein Labyrinth von Herausforderungen kämpfen – und dabei schnell und flexibel auf die Veränderungen in einem chaotischen Markt reagieren.

Alte und neue Sorgen

Insgesamt bleibt das Umsatzwachstum im globalen Modemarkt träge: Es wird sich voraussichtlich im niedrigen einstelligen Bereich stabilisieren. Entsprechend gedämpft ist die Stimmung der Führungskräfte, die McKinsey in Kooperation mit The Business of Fashion (BoF) zum achten Mal in Folge für den diesjährigen Report „The State of Fashion 2025“ befragt hat. Lediglich 20 Prozent von ihnen erwarten für 2025 eine Aufhellung der Verbraucherstimmung, während 39 Prozent davon ausgehen, dass sich die Branchenbedingungen verschlechtern. Neu ist die Hauptsorge der Befragten: Sieben von zehn betrachten jetzt das Verbrauchervertrauen als größtes Risiko. Es folgen geopolitische Instabilität und wirtschaftliche Volatilität. Die Inflation ist dank der Politik der Zentralbanken auf der Liste der Sorgen nach unten gerutscht.

Bewegung zeigt sich auch bei den weltweiten Wachstumsmotoren. So wirken sich z.B. die sinkende Inflation und der zunehmende Tourismus in Europa günstig auf die Branche aus. In Asien steht China zwar weiterhin im Mittelpunkt, aber das Land kämpft nach wie vor mit makroökonomischem Gegenwind, und so wenden sich die Modemarken auch anderen asiatischen Märkten zu – vor allem Japan, Korea und Indien. 63 Prozent der Befragten glauben, dass die reifen APAC-Märkte vielversprechende Wachstumsaussichten haben. In Europa wird für das über lange Zeit erfolgsverwöhnte Luxussegment in diesem Jahr lediglich ein Marktwachstum von 1 bis 3 Prozent erwartet, für die Kategorien darunter sind es immerhin 2 bis 4 Prozent, da steigende Reallöhne und der Trend zum Kauf günstiger Alternativen (Downtrading) den Konsum ankurbeln dürften. Angesichts der wirtschaftlichen und geopolitischen Lage bleiben die Menschen in Europa ihrem Sparkurs jedoch grundsätzlich treu. Die Erholung auf dem Kontinent wird zudem unterschiedlich ausfallen – für Deutschland z.B. wird nach wie vor ein schwaches Wachstum erwartet. Gepaart mit dem gedämpften Verbrauchervertrauen, zwingt dies die Modeunternehmen dazu, sich auf die Eroberung von Marktanteilen zu fokussieren.

Marktanteile gesucht

Was können Unternehmen nun tun, um die derzeit raren Chancen zu ergreifen? Eine geeignete Maßnahme sehen die Befragten in der Anpassung ihrer Preise, denn im aktuellen Umfeld lässt sich Wachstum am ehesten über Volumen erreichen. Preiserhöhungen scheinen hingegen kaum noch eine Option zu sein – besonders Verbraucherinnen und Verbraucher mit niedrigem bis mittlerem Einkommen sind nicht mehr bereit, diese zu akzeptieren.

Wer seine Preise nicht senken will, muss die Kundschaft davon überzeugen, dass diese gerechtfertigt sind. Das kann z.B. über ein verbessertes Einkaufserlebnis oder besondere Markenattribute gelingen. Oberste Priorität für die Befragten hat 2025 deshalb die Differenzierung durch bessere Markenpositionierung und Produktneuheiten. Modemarken können sich z.B. durch ein neues Design von der Masse abheben. Sie können aber auch eine außergewöhnliche Customer Experience schaffen oder Nischen besetzen.

Hoch im Kurs steht bei den Führungskräften zudem eine stärkere Lokalisierung: Die Hälfte von ihnen will ihre Go-to-Market-Strategie und ihr Wertversprechen stärker an lokale Gegebenheiten anpassen, z.B. Sprache, Kultur und Kundenverhalten. Im Dschungel der unterschiedlichen Herausforderungen und Chancen identifiziert „The State of Fashion 2025“ zehn Branchentrends, die Modemarken in diesem Jahr bewegen (siehe Textbox). Neben den bereits beschriebenen makroökonomischen Trends betreffen allein drei das veränderte Kaufverhalten auf Konsumentenseite und die Fokussierung auf neue Zielgruppen. Drei weitere Trends wirken direkt auf die gegenwärtige Transformation des Fashion-Systems ein: der Absturz der Marktplätze nach dem E-Commerce-Boom der Corona-Jahre, der Aufstieg von Herausforderermarken (Challenger Brands) im Sportartikelsegment und die immer komplexeren Anforderungen an das Bestandsmanagement. Diese Trends werden nachfolgend näher beleuchtet.

Kunden: Immer stärker in Bewegung

Das Einkaufsverhalten der Verbraucher:innen verändert sich stetig. So sehen sie sich z.B. zunehmend überfordert von dem überwältigenden Online-Angebot („Paralyse der zu großen Auswahl“). 74 Prozent von ihnen verlassen einen Online-Shop, ohne ihren Einkauf abzuschließen. Entsprechend leiden die Konversionsraten. Hilfe erhoffen sich die Unternehmen vom Einsatz künstlicher Intelligenz (KI): Die Hälfte der befragten Führungskräfte sieht die Unterstützung der Produktsuche als wichtigsten Anwendungsfall für generative KI im Jahr 2025. Zalando z.B. hat mehrere KI-Funktionen eingeführt, darunter einen ChatGPT-gestützten Einkaufsassistenten, personalisierte Produktempfehlungen und kuratierte Inhalte. Die Rentabilität des Unternehmens ist im zweiten Quartal 2024 um 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen, was Zalando zum Teil auf diese Maßnahme zurückführt.

Neu ist auch die zunehmende Bedeutung der lange vernachlässigten „Silver Generation“. Diese stetig wachsende Bevölkerungsgruppe der Über-50-Jährigen hat einen hohen Anteil an den globalen Modeausgaben. 2025 werden auf sie voraussichtlich 48 Prozent der globalen Ausgabenzuwächse im Modesegment entfallen. Gelingt es Fashion-Unternehmen jetzt, diese Zielgruppe verstärkt anzusprechen – aber zugleich für andere Generationen attraktiv zu bleiben – können sie zusätzliches Wachstum erzielen.

Potenzialträchtig sind zudem Modesegmente mit einem starken Preis-Leistungs-Verhältnis, z.B. Resale, Sonderangebote und günstige Nachahmerprodukte, sogenannte Dupes. Denn die Verbraucher:innen bleiben preisbewusst: 70 Prozent wollen weiterhin in Outlets oder im Off-Price-Handel einkaufen, auch wenn sie mehr Geld zur Verfügung haben.

Marktplätze: Kampf gegen Käuferschwund und Konkurrenten

Nach dem Pandemie-Boom befinden sich die Aktienkurse der E-Commerce-Plattformen nun im Sinkflug – nicht mehr nur in der Luxussparte, sondern auch bei den Marktplatzbetreibern im Mittelpreissegment und darunter: Deren Kurse sind seit 2021 um bis zu 98 Prozent gefallen. Am stärksten betroffen sind reine Modehändler, doch selbst der Aktienkurs von Anbietern, die ihr Sortiment auf die Lifestyle-Sparte ausgeweitet haben, sank im Durchschnitt von 2021 bis 2024 um monatlich 75 Prozent.

Im Kampf gegen Kundenabwanderung, hohe Rücksendequoten und wachsenden Produktionsdruck müssen Modemarktplätze sich eine klare Rolle im weltweiten Fashion-Ökosystem erarbeiten, wenn sie überleben wollen. Hilfreich sind dabei z.B. ein kuratiertes Angebot mit begrenzter Komplexität, ein erstklassiges Nutzererlebnis und Kosteneinsparungen durch den Einsatz von KI in den Kernprozessen.

Die Abkehr vom E-Commerce geht einher mit der Wiederentdeckung des stationären Handels. Für Modemarken ist dabei entscheidend, dass sich das Einkaufserlebnis in ihren Geschäften von der Masse abhebt. Erreichen können sie dies auch, indem sie ihre Angestellten entsprechend schulen, denn kompetentes Verkaufspersonal zählt für die Kund:innen mehr als digitale Features, auf die viele Händler in den vergangenen Jahren gesetzt haben. Laut aktueller Analyse geben 75 Prozent der Menschen mehr Geld aus, wenn sie mit dem Service in einem Geschäft zufrieden sind. Das eröffnet auch Möglichkeiten zum Up- und Cross-Selling.

Challenger Brands: Run auf den Sportartikelmarkt

Der Siegeszug der Challenger Brands, wie junge, innovative Modemarken genannt werden, hält weiter an und hinterlässt seine Spuren insbesondere im Segment der Sportbekleidung. 57 Prozent der Wertschöpfung haben Challenger Brands dort laut Schätzung des McKinsey Global Fashion Index 2024 generiert – das ist beinahe eine Verdreifachung gegenüber 2020.

Was aber machen die Herausforderer anders als die etablierten Unternehmen? Sie setzen z.B. auf sichtbare Innovationen wie die auffällige Cloud-Tec-Sohle der On-Laufschuhe. Sie legen den Fokus zunächst auf klar abgegrenzte Kategorien, wie Lululemon mit speziell auf Frauen ausgerichteter Sportbekleidung. Und sie beherrschen die Kunst des Cultural Marketings, bei dem die Maßnahmen exakt auf die Bedürfnisse bestimmter Gruppen zugeschnitten sind. Hierauf setzt z.B. Deckers-Tochtermarke Hoka, die mit Lauf-Clubs kooperiert.

Etablierte Unternehmen können von den Strategien der Challenger Brands lernen und beispielsweise in Produktinnovationen investieren, die sie dann gezielt bewerben. Über Partnerschaften mit Markenbotschafter:innen können sie zudem die Relevanz und Authentizität ihrer Marken weiter stärken.

Lagerbestände: Zwischen Überschuss und Engpass

Die Lagerhaltung bleibt eine der größten Herausforderungen für die Branche. Modemarken kämpfen nicht nur gegen Lieferengpässe, sondern gleichzeitig gegen massive Überbestände. Bereits 2023 produzierte die Fashion-Industrie überschüssige Ware in einem Verkaufswert von 70 bis 140 Milliarden US-Dollar. Viele Unternehmen reagierten darauf mit Rabattaktionen, die ihren Profit erheblich minderten. 2025 steigt der Druck weiter: Die Ecodesign for Sustainable Products Regulation verlangt von den Unternehmen, über die Verwaltung von Überbeständen zu berichten – und ab 2026 wird es illegal sein, unverkaufte Produkte zu vernichten. Hinzu kommen immer kürzere Trendzyklen, erschwerte Vorhersagen von Wetterbedingungen und somit der Nachfrage sowie zunehmend komplexe Produkte und Vertriebskanäle. Wichtiger denn je ist deshalb eine intensivere, funktionsübergreifende Zusammenarbeit über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg. Mithilfe entsprechender Tools lassen sich die Daten der Beteiligten miteinander verbinden, was z.B. die Nachfrageprognosen erleichtert.

48%

des Ausgabenwachstums im Modesegment entfallen 2025 auf die Generation 50 plus.

Überquellende Lagerhallen und komplexe Lieferketten gefährden jedoch nicht nur die Gewinne der Modeindustrie, sondern auch das Erreichen der Nachhaltigkeitsziele. 63 Prozent der Modemarken drohen, ihre Dekarbonisierungsziele zu verfehlen. Untätigkeit ist jedoch keine Option: Bis 2030 wird der Bekleidungsverbrauch voraussichtlich um 63 Prozent auf 102 Millionen Tonnen ansteigen. Behält die Branche ihren derzeitigen Kurs bei, so würde sie bis 2050 mehr als ein Viertel des weltweiten Kohlenstoffbudgets verbrauchen. Derweil scheint auf Konsumentenseite das Interesse an Nachhaltigkeit zu schwinden – zumindest in der Praxis: Entgegen ihren Aussagen in Umfragen sind nur wenige bereit, tatsächlich einen Aufpreis für nachhaltige Produkte zu zahlen.

Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, dass Unternehmen sich in einer Art „Doppelmission“ gleichzeitig Nachhaltigkeitsinitiativen verpflichten und über gemeinsame Aktionen mit anderen Unternehmen der Branche die Rentabilität steigern. Zudem sollten sie die Anzahl ihrer Lieferanten auf ein sinnvolles Maß reduzieren und enger mit diesen zusammenarbeiten: einerseits bei der Dekarbonisierung, z.B. über gemeinsame Incentives und Handelsverträge, aber andererseits auch bei der Datentransparenz. Eine Partnerschaft mit Anbietern von Lösungen zur Rückverfolgung und Wirksamkeitsmessung von Daten kann dabei helfen, klare und erreichbare Nachhaltigkeitsziele zu definieren.

Fazit: Auch 2025 bleibt ein turbulentes Jahr für die Fashion-Industrie, mit zahlreichen, teils neuen Herausforderungen, aber auch Chancen. Für die Unternehmen geht es jetzt darum, günstige Gelegenheiten – geografische, demografische und technologische – schnell zu erkennen und sich entsprechend weiterzuentwickeln. Fest steht: Die alten Erfolgsrezepte greifen nicht mehr, die Branche braucht eine neue Wachstumsformel.

 

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