Das sind Kernergebnisse der Studie „The State of Fashion Watches & Jewellery“ von McKinsey & Company und The Business of Fashion (BoF). Die Studie zum Uhren- und Schmuckmarkt untersucht sechs wesentliche Veränderungen in der Branche sowie die Kräfte, die in der Zeit nach der Pandemie einen Wandel im Markt herbeiführen dürften. Es handelt sich bei der Studie um die erste einer Reihe von Sonderveröffentlichungen, die BoF und McKinsey ergänzend zu den jährlichen „State of Fashion“-Reports herausbringen werden.
Die Studie zum Uhren- und Schmuckmarkt untersucht die Aktivitäten in diesen Sektoren bis zum Jahr 2025. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Schmuckstücken mit einem Preis von mehr als 360 USD, für die Edelmetalle oder Edelsteine verarbeitet werden, sowie auf Premium- oder Ultra-Luxusuhren mit einem Preis von mehr als 180 USD.
Grundlage für die in der Studie enthaltenen Informationen und Prognosen waren Interviews mit Führungskräften, Analysen privater und öffentlicher Unternehmen, Marktinformationen und Verbraucherumfragen. Die Studie beinhaltet Fallbeispiele und Interviews mit Führungskräften aus der Uhren- und Schmuckbranche, u.a. mit François-Henry Bennahmias, Chief Executive bei Audemars Piguet, Cyrille Vigneron, President und Chief Executive bei Cartier sowie mit Führungskräften der Unternehmen Breitling, Seiko, Watchfinder, Christopher Ward, Hofinkee, Chow Tai Fook, Christie’s, Mejuri, De Beers Jewellers und Shaun Leane.
Nach pandemiebedingten Umsatzeinbrüchen im zweistelligen Bereich sehen sowohl die Schmuck- als auch die Premium- und Ultra-Luxusuhrenbranche bis 2025 wieder stetigem Wachstum entgegen, wobei die Uhrenkategorie jedoch deutlich langsamer wachsen wird.
Der Reiseeinzelhandel wird weiterhin einen schweren Stand haben, da im Reiseverkehr zwischen den wichtigsten Einkaufsregionen Asien, Europa und USA bis 2024 keine vollständige Erholung zu erwarten ist. Stattdessen werden sich die Marken auf inländische Kunden konzentrieren müssen, um die Lücke zu füllen, insbesondere in China, wo mehr als die Hälfte der vermögenden Verbraucher, die in der zweiten Jahreshälfte 2020 eine Uhr kauften, dies im Inland taten.
Auf den asiatischen Markt entfallen bereits geschätzte 45 Prozent des Gesamtumsatzes in der Markenschmuckkategorie sowie 50 Prozent des Umsatzes bei Premium- und Ultra-Luxusuhren. Mit Blick auf das Jahr 2025 wird das Interesse an Schmuck und Uhren in diesem Markt weiterhin jedes Jahr über dem globalen Durchschnitt liegen, wobei die Umsätze in der Schmuckkategorie in der Zeit von 2019 bis 2025 jährlich zwischen 10 und 14 Prozent wachsen dürften, während das Wachstum bei Uhren jährlich zwischen 2 und 4 Prozent liegen dürfte.
Die Uhrenindustrie (mit einem Umsatz von 49 Mrd. USD im Jahr 2019) wird von einer kleinen Gruppe von Luxus- und Ultra-Luxusmarken dominiert, von denen viele in der Schweiz beheimatet sind; auf sie entfallen 78 Prozent des Einzelhandelswerts der Branche. Zwischen 2019 und 2025 wird im Uhrenmarkt lediglich ein Wachstum von 1 bis 3 Prozent pro Jahr erzielt, in erster Linie bedingt durch Luxus- und Ultra-Luxusmarken, die auch weiterhin den Markt dominieren werden. Ein weiterer Wachstumstreiber wird der asiatische Markt sein, der ein stärkeres Wachstum verzeichnen wird als die anderen Regionen und für Uhrenhersteller weiterhin der wichtigste Markt bleibt.
1. Umstellung auf Direct-to-Consumer-Kanäle
Der stationäre Handel war für die Uhrenindustrie jahrzehntelang lebenswichtig, wobei die Kundenbeziehung fest in der Hand der Mehrmarkenhändler lag. Mit dem Wunsch der Verbraucher nach besseren Online-Shoppingerlebnissen und dem Streben der Marken nach höheren Margen werden die Uhrenhersteller voraussichtlich ihre Direct-to-Consumer-Kanäle ausbauen und mit einem dynamischen Omnikanalkonzept die Kontrolle über die Kundenbeziehung übernehmen, da bis 2025 Jahresumsätze von 2,4 Mrd. USD von den Einzelhändlern auf die Marken übergehen könnten.
2. Druck auf mittleres Marktsegment
Das traditionelle mittlere Marktsegment gerät von beiden Seiten unter Druck. Im Einstiegspreissegment besteht intensiver Wettbewerb durch Digital Natives, Modemarken und die rasch wachsende Smartwatch-Kategorie, und im oberen Preissegment wechseln zahlreiche Kunden ins Luxussegment. Um sich von der Masse abzuheben, sollten Marken im mittleren Segment ihre Markennarrative neu beleben, ihr Produktangebot verfeinern und engere Beziehungen zu ihren Kunden knüpfen – ansonsten drohen bis 2025 Umsatzeinbußen von bis zu 2,5 Mrd. USD.
3. Gewinne im Markt für Gebrauchtuhren
Der einst privaten Händlern und kleinen Einzelhändlern vorbehaltene Markt für Gebrauchtuhren ist durch die Digitalisierung immer attraktiver und zu dem am schnellsten wachsenden Segment der Branche geworden. Bis 2025 dürften hier Umsätze von 29 bis 32 Mrd. USD erwirtschaftet werden, was – bezogen auf die Marktgröße – mehr als der Hälfte des Marktes für neue Uhren entspricht. Die Marken sollten versuchen, von diesem Wandel zu profitieren, und digitale Plattformen sollten in einem zunehmend wettbewerbsbestimmten Umfeld ihre Geschäftsmodelle schärfen.
Der Schmuckmarkt (mit einem Umsatz von 280 Mrd. USD im Jahr 2019) wird voraussichtlich zwischen 2019 und 2025 ein jährliches Wachstum von 3 bis 4 Prozent verzeichnen und einen Jahresumsatz zwischen 340 und 360 Mrd. USD erwirtschaften. Dieses Wachstum ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen, die als wichtige Veränderungen in der Branche identifiziert wurden, u.a. auf einen Wachstumsschub bei Markenschmuck sowie auf eine neue Ära der digitalen Transformation, da Kunden sich inzwischen zunehmend wohler damit fühlen, Schmuck online zu kaufen.
1. Umstieg auf Markenschmuck
Trotz der Bekanntheit einiger der größten Akteure in der Schmuckbranche mit ihrer unverwechselbaren Markenidentität und ihrer globalen Reichweite erreicht das Markenschmuckkategorie nach wie vor lediglich einen Anteil von 20 Prozent am Gesamtmarkt. Bis 2025 werden voraussichtlich die Marken den markenlosen Spielern jedoch weitere Marktanteile abnehmen und dann einen Anteil von 25 bis 30 Prozent am Gesamtmarkt erreichen. Diejenigen, denen es gelingt, die Verbraucher zu einem Umstieg auf Markenschmuck zu bewegen, werden sich Einnahmen in Höhe von 80 bis 100 Mrd. USD teilen.
2. Magie des Online-Einkaufs
Der Verkauf von edlem Schmuck wird traditionell mit individuellem Service und besonderen Einkaufserlebnissen in Schmuckgeschäften assoziiert, die sich online nur schwer umsetzen lassen. Angesichts der seit der Pandemie stark gestiegenen Online-Schmuckkäufe ist es nun an den Marken und Einzelhändlern, sich ein genaueres Bild der Beziehung zwischen physischen und digitalen Kanälen zu machen, um außergewöhnliche Kauferlebnisse zu schaffen, die dazu beitragen, einen größeren Anteil des Online-Schmuckmarktes für sich zu gewinnen. Mit einem erwarteten Anstieg des Online-Umsatzes von 13 auf 18 bis 21 Prozent des Gesamtumsatzes im Zeitraum von 2019 bis 2025 geht es hier um ein Potenzial von 60 bis 80 Mrd. USD.
3. Wachstumsschub bei von Nachhaltigkeitsaspekten beeinflussten Schmuckkäufen
Von Nachhaltigkeitsaspekten beeinflusste Schmuckkäufe dürften künftig ein starkes Wachstum verzeichnen. Bis 2025 werden schätzungsweise 20 bis 30 Prozent des weltweiten Schmuckumsatzes von Nachhaltigkeitsaspekten beeinflusst werden – von Umweltfolgen bis hin zu ethischen Beschaffungspraktiken. Führungskräfte sollten Nachhaltigkeit als Chance begreifen, um durch verantwortungsvolle Geschäftspraktiken den Markenwert zu steigern.
Achim Berg, Senior Partner bei McKinsey & Company: „Die Auswirkungen der globalen Pandemie auf die Uhren- und Schmuckindustrie haben die notwendigen Veränderungen verdeutlicht. Auch wenn sich die Branche unseren Prognosen zufolge wieder erholen und ein starkes, stabiles Wachstum erleben wird, müssen die Unternehmen verstärkt auf Digitalisierung setzen, ihr Direktgeschäft ausbauen und über eine Strategie für den Gebrauchtmarkt verfügen. Marken, die sich durch eine überragende Erfüllung neuer Verbraucherbedürfnisse auszeichnen, bieten die nächsten fünf Jahre erhebliche Chancen zur Gewinnung von Marktanteilen.“
Imran Amed, Gründer und CEO von The Business of Fashion: „Die Pandemie hat den Uhren- und Schmuckmarkt hart getroffen. Doch mit dem anhaltenden Wechsel der Kunden in die Online-Kanäle, dem fortgesetzten Wachstum im asiatischen Markt und der Anpassung der Marken an sich ändernde Werte und Präferenzen der Verbraucher werden wir in den nächsten Jahren erleben, wie die Branche aufblüht. Der Weg dahin wird nicht einfach, und so wird der Lohn der Mühen denjenigen zufallen, die in der Lage sind, in großem Maßstab Innovationen zu entwickeln und Iterationen durchzuführen.“