„Die COVID-19-Pandemie hat den internationalen Austausch von Studierenden und Forschenden kurzzeitig stark ausgebremst“, sagt Volker Meyer-Guckel, stellvertretender Generalsekretär des Stifterverbandes, mit Blick auf die Zahlen: Bereits im Sommer 2020 hatten rund 80.000 ausländische Studierende Deutschland verlassen, 52 Prozent der Hochschulen in Deutschland hatten zu dem Zeitpunkt ihre Auslandsangebote ganz oder teilweise gestrichen. Die Zahl der internationalen Studienanfänger ist im Sommersemester 2020 um fast 30 Prozent auf 22.830 gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen.
Allerdings habe sich durch den massiven Ausbau der digitalen Möglichkeiten und Angebote an den Hochschulen die Internationalisierung in der Bildung erheblich verstärkt. Meyer-Guckel: „Der erzwungene Digitalisierungsschub hat somit eine nachhaltige positive Wirkung. Es muss aber dennoch alles dafür getan werden, den digitalen Ausbau zu vertiefen und die Mobilität der Studierenden wieder auszubauen und zu unterstützen. Wir erwarten eine Renaissance der klassischen Studienaufenthalte.“ Das Indiz dafür: In Deutschland haben sich im Sommersemester 2020 lediglich 1,5 Prozent der Erasmus-Studierenden ein digitales Auslandssemester anrechnen lassen. Dabei boten mehr als die Hälfte der europäischen Universitäten ihren Studierenden diese Möglichkeit an.
Mehr internationaler fachlicher Austausch durch Digitalisierungsschub an den Hochschulen
Die Studie von Stifterverband und McKinsey sieht durch Corona auch einen positiven Trend bei dem internationalen fachlichen Austausch. Der Digitalisierungssprung in den Hochschulen hat ihn stark vorangetrieben. Drei Viertel der Hochschulen boten ihren immatrikulierten Studierenden aus dem Ausland ein Fernstudium mit Online-Formaten an. Auch Welcome-Veranstaltungen oder Visaberatungen, die sich an internationale Studierenden richten, waren digital zugänglich.
Ein weiterer Trend: Als zusätzlicher Kanal der Onlinelehre haben sich in den letzten Monaten vor allem sogenannte EdTechs rasant etabliert, Unternehmen, die digitale Lernangebot und Bildungsservices anbieten. Sie stellten während des Coronajahres 2020 einen Mehrwert auf der gesamten Bildungslaufbahn dar und konnten ihre Nutzerzahlen zum Teil um 50 Prozent steigern. Auch das Förderung für EdTech-Startups ist in Europa seit 2019 deutlich angestiegen, wobei Deutschland noch hinterherhinkt. Der Rest Europas (ohne Deutschland) kommt auf ein jährliches Wachstum seit 2019 von etwa 70 Prozent und ein Volumen von rund 1,4 Milliarden US-Dollar alleine in der ersten Jahreshälfte 2021. Zum Vergleicht: Die Wachstumsrate in Deutschland liegt nur bei 20 Prozent und einem Volumen von 107 Millionen Dollar.
Hochschulen und EdTechs - eine Chance für Synergien
McKinsey-Partnerin Julia Klier bewertet den sprunghaften Anstieg des digitalen Bildungsangebots über EdTechs positiv: „Im Zusammenspiel mit Hochschulen entwickeln sich viele Chancen für neue Synergien. Internationale Lehrangebote werden dank Digitalisierung leichter zugänglich, adaptive Lernprogramme zeigen dem Nutzer, welche Inhalte vertieft werden müssen.“ Als weiteren Schritt für mehr Innovation in der Hochschullehre empfiehlt Julia Klier deshalb mehr Zusammenarbeit mit etablierten EdTechs, um gemeinsam leistungsfähige Learning-Experience-Plattformen aufzubauen.
Eine zentrale Empfehlung von Stifterverband und McKinsey ist außerdem, dass Hochschulen und Unternehmen für den Ausbau der Mobilität gemeinsam Programme wie „Erasmus on the job“ entwickeln und aufbauen. Darüber hinaus sollten deutsche und ausländische Hochschulen gleichermaßen zusätzliche Plätze für Auslandssemester an Studierende vergeben, die ihren Auslandsaufenthalt pandemiebedingt nicht antreten konnten und nachholen wollen.
Hochschulen sollten zudem an den durch den Digitalisierungsschub möglich gewordenen neuen internationalen Bildungsmöglichkeiten festhalten und strukturell in Hochschulkooperationen verankern. International Classrooms mit Partneruniversitäten sollten zum Regelfall werden.