Eine Mischung aus geopolitischen und makroökonomischen Herausforderungen lässt die Modeindustrie auf ein unsicheres Jahr 2024 blicken. Die volatile globale Wirtschaftslage wirkt sich negativ auf das Verbrauchervertrauen aus und führt zu einem Rückgang der Ausgaben in den wichtigsten Modemärkten. Das sind die wichtigsten Erkenntnisse aus dem State of Fashion 2024 Report, den McKinsey & Company gemeinsam mit The Business of Fashion (BoF) veröffentlicht hat. Der Bericht gibt einen Ausblick auf die Branchenentwicklung und beschreibt die zehn wichtigsten Trends für die Modeindustrie im kommenden Jahr. Dabei stützt er sich auf Ergebnisse aus zwei globalen Umfragen unter Führungskräften der Modebranche und Konsumenten.
26% der Branchenentscheider:innen erwarten eine Verbesserung der wirtschaftlichen Aussichten im Jahr 2024, 37% sagen, dass die Entwicklungen gleichbleiben werden, und 38% gehen von einer Verschlechterung aus. Insgesamt wird ein Wachstum von 2 bis 4 Prozent prognostiziert. Die Erholung des weltweiten Tourismus auf über 10% über dem Niveau des Jahres 2019 und die Chancen durch den vermehrten Einsatz von GenAI werden als Lichtblicke gesehen.Generative KI hat Transformationspotenzial für Kreativität
2023 war ein revolutionäres Jahr für GenAI: Allein in der ersten Jahreshälfte flossen 14,1 Milliarden Dollar an Investitionen in Startups mit Fokus auf KI. Eine Analyse im State of Fashion Report zeigt, dass in der Modeindustrie etwa 25% der Wertschöpfung von GenAI durch den Einsatz in der Design- und Produktentwicklung erzielt werden können.
Die Führungskräfte der Branche haben hohe Erwartungen an Künstliche Intelligenz. Gleichzeitig erkennen sie ein Wissens- und Talentdefizit in ihren Unternehmen. Nur 5% glauben, dass ihre Mitarbeiter derzeit über die erforderlichen Fähigkeiten verfügen, um das Potenzial der Technologie zu nutzen. Dies wird als größtes Hindernis bei der Integration und effektiven Nutzung der Technologie gesehen. 73% geben an, dass KI im Jahr 2024 zu den wichtigsten Prioritäten für ihr Unternehmen gehören wird, aber nur 28% haben bereits versucht, sie in kreativen Prozessen einzusetzen.
Weltweiter Reiseverkehr wird das Niveau vor der Pandemie übertreffen
Nach dem Ende der COVID-19-Pandemie ist die Reiselust der Verbraucher enorm: Prognosen zufolge wird der internationale Tourismus im Jahr 2024 das Niveau von 2019 um bis zu 10% übertreffen. Shopping steht dabei bei der Reiseplanung ganz oben: 80% der befragten Konsumenten aus den USA, Großbritannien und China planen, im Urlaub vermehrt Kleidung zu kaufen, 28% erwarten, dass sie dabei mehr Geld ausgeben werden als im Vorjahr. Über die Hälfte der Befragten gibt an, im kommenden Jahr neue Reiseziele besuchen zu wollen.
Influencer: Authentizität statt Status
Influencer Marketing - eine Branche, die derzeit 21,1 Milliarden Dollar umsetzt - wird auch weiterhin ein wichtiges Instrument der Kundenbindung für Marken sein. Allerdings zeigen die Verbraucher Anzeichen von "Influencer-Fatigue". 68% der Befragten sehen sich mit zu vielen gesponserten Inhalten auf Social Media konfrontiert. 65% wollen sich zudem weniger auf Influencer-Empfehlungen verlassen als in den Vorjahren. Gleichzeitig werden authentische und unterhaltsame Inhalte beliebter: Gefragt danach, welche Eigenschaften bei Influencern wichtig sind, werden Sympathie (43%) und Authentizität (40%) deutlich mehr hervorgehoben als Prominenz (15%) und Fachwissen über Mode (23%).
Klimakrise: 65 Milliarden Dollar Risiko für die Branche
Auch im Jahr 2023 nahmen Umweltkatastrophen als Folge des Klimawandels zu. Für die Modeindustrie ist das ein erhebliches Wachstumshindernis, da extreme Wetterereignisse Bekleidungsexporte im Wert von 65 Milliarden Dollar gefährden und bis 2030 eine Million Arbeitsplätze in vier großen Volkswirtschaften bedrohen könnten. Ein Grund dafür ist die starke Abhängigkeit der exportierten Waren vom Schiffverkehr. Dort führen extreme Wetterereignisse häufiger zu Unterbrechungen und Verzögerungen der Hafenaktivitäten. Jeder Bereich der Modeindustrie ist vom Klimawandel betroffen, von der Produktion bis hin zu Lieferketten und Logistik. Gleichzeitig erwartet die Branche neue regulatorische Vorschriften, die Marken und Hersteller verpflichten, weitere Initiativen zur Emissions- und Abfallreduzierung umzusetzen.
Imran Amed, Gründer und CEO von The Business of Fashion: "Von der sich verschärfenden Klimakrise bis hin zum transformativen Potenzial der künstlichen Intelligenz - The State of Fashion 2024 analysiert die wichtigsten Herausforderungen und Chancen für die globale Modeindustrie im nächsten Jahr. Die Modebranche darf sich nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen. Auch wenn das Jahr 2024 von Vorsicht geprägt sein wird, ist es für die Branche entscheidend, weiterhin gezielt nach Möglichkeiten für Wachstum und Innovation zu suchen."
Achim Berg, Senior Partner bei McKinsey und Lead Editor des Reports: "Die Modeindustrie hat im Jahr 2023 erneut eine bemerkenswerte Resilienz bewiesen. Insbesondere das Luxussegment hat das Wachstum durch Preiserhöhungen angetrieben und die Schwächen anderer Segmente teilweise ausgeglichen. Obwohl die globale Modeindustrie im kommenden Jahr vor vielen Herausforderungen steht - vor allem aufgrund von Volatilität und makroökonomischen Entwicklungen - erwarten wir für 2024 ein leichtes globales Wachstum von etwa 2 bis 4%. Das globale Wachstum des Luxussegments wird sich 2024 voraussichtlich auf 3 bis 5 % verlangsamen, da die Verbraucher ihre Ausgaben aufgrund der Inflation und makroökonomischen Entwicklung eher zurückfahren werden."
Gemma D'Auria, Senior Partner und Global Leader der Apparel, Fashion and Luxury Group von McKinsey, sagt: "Der Aufstieg der generativen Künstlichen Intelligenz stellt einen kreativen Scheideweg für die Modeindustrie dar: Wir sehen bereits mehrere positive Anwendungsfälle. Um den Wert dieser transformativen Technologie im kommenden Jahr auszunutzen, muss die Modebranche über die Automatisierung hinausblicken und das Potenzial von GenAI als Erweiterung der menschlichen kreativen Arbeit ausloten."
10 Themen, die die Modeindustrie im Jahr 2024 prägen werden:
1. Fragmentierte Zukunft: Das Jahr 2024 wird weiter von Volatilität in den wichtigsten Modemärkten geprägt sein. Das wird sich im Ausgabeverhalten der Konsumenten widerspiegeln. Die Netto-Ausgabeabsicht der Verbraucher für Bekleidung liegt im vierten Quartal 2023 in den USA, Europa und China durchschnittlich bei -16 %.
2. Klimakrise: Die Klimakrise ist im letzten Jahr sichtbarer geworden. Die Modemarken sollten an der Widerstandsfähigkeit ihrer Wertschöpfungsketten arbeiten und Maßnahmen ergreifen, um die Emissionsreduzierung zu verdoppeln. Schätzungsweise 65 Milliarden Dollar an Bekleidungsexporten könnten bis 2030 durch Klimaereignisse wie Überschwemmungen und extreme Hitze zunichte gemacht zu werden.
3. Urlaubsstimmung: Die Verbraucher bereiten sich auf ihr größtes Reisejahr seit der Pandemie vor. Die Marken überarbeiten ihren Vertrieb und andere Strategien, um diese Kunden anzusprechen. Für das Jahr 2024 wird ein weltweites Reiseaufkommen von bis zu 110% des Niveaus von 2019 prognostiziert. Es wird das erste Jahr, in dem das Niveau vor der Pandemie überschritten wird.
4. Influencer: Eine neue Gruppe von Influencern gewinnt an Popularität, da sich Modekonsumenten mehr unterhaltsameren Content wünschen. Mehr als 40 % der Verbraucher bevorzugen Mode-Influencer, die sympathisch und authentisch sind.
5. Outdoors: Technische Outdoor-Bekleidung hat einen Popularitätsboom erlebt, der sich 2024 fortsetzen wird. Die Handelsaktivitäten auf Resale-Plattformen stiegen im Jahr 2023 um durchschnittlich 800% im Vergleich zum Vorjahr.
6. Kreative GenAI: Um diese Technologie richtig zu nutzen, sollten Marken über die Automatisierung hinausschauen und das Potenzial von GenAI als Erweiterung der menschlichen kreativen Arbeit ausloten. 73% der Führungskräfte geben an, dass KI 2024 eine Priorität für sie sein wird, aber nur 5% glauben, dass sie über die nötigen Fähigkeiten und Talente verfügen, um diese Technologie effektiv zu nutzen.
7. Fast Fashion Power: Der Wettbewerb zwischen den Fast-Fashion-Marken wird sich im kommenden Jahr verschärfen. Der Erfolg sowohl neuer als auch etablierter Anbieter wird von ihrer Fähigkeit abhängen, sich dem Kundengeschmack anzupassen und die neuen regulatorischen Vorschriften zur Nachhaltigkeit umzusetzen. 40% der US-Verbraucher haben in den letzten 12 Monaten bei Fast Fashion Playern der 3. Generation eingekauft.
8. Brand Marketing: Brand Marketing wird wieder in den Vordergrund rücken, da die Kosten für Performance Marketing stark gestiegen sind. 71% der Führungskräfte in der Modebranche planen, die Ausgaben für das Markenmarketing im Jahr 2024 zu erhöhen.
9. Regulatorik für mehr Nachhaltigkeit: Neue Vorschriften könnten die Modebranche bald umgestalten. Marken sollten sich auf die bevorstehenden regulatorischen Veränderungen einzustellen. 87% der Führungskräfte in der Modebranche erwarten, dass sich Nachhaltigkeitsvorschriften bis 2024 auf ihr Geschäft auswirken werden.
10. Bullwhip Effekt: Wenn das Angebot mit der erwarteten Nachfrage Schritt halten soll, sollten Unternehmen strategische Partnerschaften mit Herstellern in Betracht ziehen, um Schwankungen in der Lieferkette zu vermeiden. 73 % der leitenden Beschaffungsverantwortlichen nannten die Volatilität der Nachfrage als eine Dynamik, die sich in den nächsten fünf Jahren auf die Lieferantenbeziehungen auswirken könnte.