Fachkräftemangel, steigende Kosten, unterbrochene Lieferketten bei Arzneimitteln: Die Herausforderungen im deutschen Gesundheitswesen bleiben nicht ohne Folgen für die Wahrnehmung der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) durch die Versicherten. 28% der gesetzlich Versicherten sind unzufrieden mit ihrer Kasse – ein Plus von 8,5 Prozentpunkten im Vergleich zu 2020. Insgesamt ist nur noch etwa jeder Dritte (30%) mit der eigenen Kasse zufrieden – ein Rückgang um knapp 4 Prozentpunkte im seit 2020. Dies geht aus einer Befragung von 3.600 repräsentativ ausgewählten GKV-Versicherten durch die Unternehmensberatung McKinsey & Company für die Studie „Der GKV-Check-up 2023 – Dynamisch bleiben, weiter wachsen“ hervor.
Auch den Service der Krankenkassen sehen die Versicherten zunehmend als verbesserungswürdig an. Im Durchschnitt ist die Zufriedenheit mit dem Kundenservice im Vergleich zu 2020 um 9% auf nur noch 34% zurückgegangen. Aufgeschlüsselt auf die einzelnen Kassen ergibt sich allerdings ein sehr differenziertes Bild: Während manche Versicherer den Anteil unzufriedener Kunden im Vergleich zu 2020 konstant halten können, ist er bei anderen stark gewachsen und hat sich teilweise sogar fast verdoppelt. Mit Blick auf die Kassenwechsel verharrt die Zahl noch stabil auf niedrigem Niveau. Durch die sinkende Zufriedenheit dürfte jedoch auch die Wechselbereitschaft und damit die Zahl der tatsächlichen Kassenwechsel zunehmen: Schon jetzt geben je nach GKV 7 bis 20% der Befragten an, dass ein Kassenwechsel für sie wahrscheinlich ist.
„Angesichts der Herausforderungen im deutschen Gesundheitswesen haben die gesetzlichen Krankenversicherungen hohe Agilität bewiesen und gleichzeitig große Schritte bei der Digitalisierung unternommen“, sagt Florian Niedermann, Senior Partner und Leiter der Beratung des Gesundheitssektors bei McKinsey sowie Herausgeber des GKV-Check-up. „Um dynamisch zu bleiben und weiter zu wachsen, sind die Kassen angesichts der gestiegenen Unzufriedenheit der Versicherten gefordert. Sie sollten attraktivitätssteigernde Maßnahmen entwickeln, mit denen sich Bestandsversicherte binden und neue Versicherte gewinnen lassen sowie neue Differenzierungsfaktoren etwa beim Thema Nachhaltigkeit aufbauen.“
GenAI mit großem Potenzial in Kundenkommunikation und Sachbearbeitung
Auch technologische Innovationen in Bereichen wie Daten, Analytik und generativer künstliche Intelligenz (KI) versprechen den Krankenkassen großes Potenzial. Dabei geht es nicht nur darum, interne (Verwaltungs-)Prozesse effizienter und effektiver zu gestalten, sondern auch externe Interaktionen wie die Kommunikation von Serviceangeboten zu optimieren. So eröffnet etwa generative KI eine breite Palette von Anwendungsmöglichkeiten, die es den gesetzlichen Kassen ermöglichen, effizienter und effektiver zu arbeiten. Gleichzeitig können personalisierte Interaktionen mit den Versicherten deren Zufriedenheit verbessern und den Arbeitsalltag der Mitarbeitenden erleichtern.
Mithilfe von generativer KI kann zum Beispiel ein Teil der Kundenkommunikation in Form von Briefen, E-Mails sowie telefonische Kundenanfragen automatisiert werden. Im Bereich der Sachbearbeitung können durch generative KI-geführte Vertragsanalysen unter anderem große Mengen von Vertragsdokumenten analysiert und für die Sachbearbeitung relevante Informationen extrahiert werden. „In Anbetracht der rasch zunehmenden Bedeutung und disruptiven Kraft von generativer KI tun die gesetzlichen Krankenversicherungen gut daran, sich frühzeitig mit dieser Technologie auseinanderzusetzen und erste Anwendungsfälle zu erproben. Indem sie Kompetenzen aufbauen und die Potenziale der Technologie früh erschließen, schaffen sie in vielen Geschäftsbereichen die Möglichkeit, effizienter und kundenfreundlicher zu werden“, sagt Florian Niedermann.
Präventionsprogramme der Krankenkassen gewinnen an Bedeutung
Angesichts von steigender Lebenserwartung, fortschreitender Alterung der Gesellschaft und stetig wachsender Gesundheitskosten steigt hierzulande auch die Bedeutung der GKV-Präventionsprogramme als zentrale Säule der Gesundheitsversorgung. Nachdem die COVID-19-Pandemie und die entsprechenden Schutzmaßnahmen das Angebot an GKV-Präventionsprogrammen im Jahr 2020 stark eingeschränkt hatten, erreichte die GKV 2021 auf Anhieb wieder eine ähnlich hohe Anzahl an Versicherten mit ihren Präventionsprogrammen wie 2019.
Tatsächlich wurden 2021 etwa 8,5 Millionen Menschen erreicht, was immerhin ca. 10% der Gesamtbevölkerung entspricht. Auf der anderen Seite sind die Kassen damit noch weit entfernt davon, alle Versicherten abzudecken. Deshalb empfiehlt es sich der Studie zufolge für die gesetzlichen Krankenkassen, sich nicht auf den Erfolgen ihrer bestehenden Präventionsprogramme auszuruhen, sondern mit neuen Ideen zu ihren Angeboten die Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung intensiv voranzutreiben.