Die globale Modeindustrie steht wegen zurückhaltender Konsument:innen und geopolitischer Unsicherheiten vor einem turbulenten Jahr. Mit Blick auf 2025 erwarten nur 20% der Entscheider:innen in der Industrie eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage gegenüber 2024, 41% gehen davon aus, dass die Bedingungen unverändert bleiben, und 39% sagen eine Verschlechterung voraus. 70% der Führungskräfte nannten das fehlende Verbrauchervertrauen und die geringe Kaufbereitschaft als größte Sorge. Denn: Über 80% der Käufer:innen planen, im Jahr 2025 nur gleich viel oder sogar weniger für Mode auszugeben. Dies geht aus dem Report „The State of Fashion 2025“ von McKinsey & Company und The Business of Fashion hervor. Der Report identifiziert zehn Trends für die Modeindustrie, basierend auf einer globalen Umfrage unter Führungskräften sowie einer Verbraucherumfrage in den USA, Großbritannien, Frankreich und China.
„Modemarken müssen sich den schnellen Veränderungen im Markt anpassen oder sie riskieren, zurückzufallen“, so McKinsey-Partner und Co-Autor der Studie Felix Rölkens. „Bei einem prognostizierten Wachstum der Branche im niedrigen einstelligen Bereich müssen Marken hart um Marktanteile kämpfen. Sie sollten ihre Beziehung zu den Kunden neu bewerten, bislang übersehene demografische Gruppen stärker in den Blick nehmen und zeigen, dass ihre Produkte ihr Geld wert sind“.
Der Report hebt jedoch auch einige Chancen hervor, wie den Aufstieg von so genannten Challenger-Marken, die voraussichtlich den größten Teil des wirtschaftlichen Gewinns im Sportbekleidungssegment im Jahr 2025 ausmachen werden. Zudem kann der Aufstieg der Künstlichen Intelligenz (KI) das Einkaufserlebnis verändern, indem sie Kund:innen zum Beispiel dabei hilft, die „Paralyse der zu großen Auswahl“ beim Online-Shopping zu überwinden.
Kostenbewusste Käufer setzen auf gutes Preis-Leistungs-Verhältnis
Inflation und wirtschaftliche Drucksituationen führen zu einem Wachstum der Segmente mit starker „Preis-Leistungs-Verhältnis“-Wahrnehmung. So greifen 41% der Verbraucher:innen bei der Suche nach Mode auf Secondhand-Outlets zurück. Auch der Kauf günstigerer Repliken hat dank der Gen-Z unter dem Stichwort „Dupe“ an Popularität gewonnen.
Nachhaltigkeit verliert an Relevanz
Das Thema Nachhaltigkeit ist auf der Agenda der Mode-Führungskräfte jedoch nach unten gerutscht. Trotz zunehmender Regulierung sind 63% der Marken bei den Dekarbonisierungszielen für 2030 im Rückstand, und nur 18% der Mode-Führungskräfte betrachten Nachhaltigkeit als eines der drei größten Risiken für 2025, verglichen mit 29% im Jahr 2024.
Die Fragmentierung entlang der Mode-Wertschöpfungskette und die negative Verbraucherstimmung haben dazu geführt, dass Marken die Nachhaltigkeit zurückstellen und ihre Verpflichtungen zurückfahren. Verstärkt wird dies durch eine deutliche Zurückhaltung der Kund:innen, einen Aufpreis für nachhaltigere Waren zu zahlen.
Der Bekleidungskonsum wird voraussichtlich bis 2030 um 63% auf 102 Millionen Tonnen steigen. “Wenn die Branche ihren derzeitigen Kurs fortsetzt, würde sie bis 2050 mehr als ein Viertel des globalen Kohlenstoffbudgets verbrauchen. Es ist entscheidend, dass die Branche weiterhin nach innovativen Lösungen sucht und neue Technologien einsetzt, um die Klimaziele zu erreichen und gleichzeitig davon zu profitieren“, sagt Felix Rölkens.
Das mittlere Modesegment wächst
Ein weiterer überraschender Trend: Das mittlere Modesegment wird im Jahr 2024 Rekordmargen erzielen. Dazu gehören auch die so genannten Kaufhausmarken („Mall Brands“), die von ihren Transformationsbemühungen der letzten Jahre profitieren, sowie Challenger-Marken im Sportbekleidungssegment.
Ebenfalls bemerkenswert: Nach einem Boom im E-Commerce-Shopping während der Pandemie stehen Online-Mode-Marktplätze nun vor existenziellen geschäftlichen Herausforderungen, die eine grundlegende Umstrukturierung erfordern. Die Aktienkurse von Online-Mode-Marktplätzen sind zwischen 2021 und 2024 um 77% gesunken. In Europa werden Online-Marktplätze zunehmend von Unternehmen wie Shein und Temu herausgefordert.
Die 10 Trend-Themen aus „The State of Fashion 2025“ im Überblick:
• Handel neu konfiguriert: Der globale Handel wird sich 2025 weiter diversifizieren, da große Volkswirtschaften bei der Beschaffung vermehrt auf auf Länder mit größerer politischer Übereinstimmung setzen. Die Zahl der Handelsbarrieren hat sich seit 2015 verfünffacht, allein im Jahr 2023 sind rund 3.000 Handelsbeschränkungen wie X und Y hinzugekommen.
• Asiens neue Wachstumsmotoren: Herausforderungen für das Wirtschaftswachstum Chinas veranlassen internationale Modemarken, sich anderen asiatischen Märkten zuzuwenden. Indien steht im Fokus:67% der Mode-Führungskräfte sehen im Jahr 2025 dort vielversprechende. Auch Japans Luxusboom wird voraussichtlich bis 2025 anhalten, angetrieben durch starken Konsum aus dem In- und Ausland.
• KI hilft bei Kaufentscheidungen: 82% der Kund:innen möchten, dass KI ihnen hilft, weniger Zeit mit der Kauf-Recherche zu verbringen.74% geben an, aufgrund der Fülle an Optionen von Online-Käufen abzusehen.
• Silver Spenders: Die so genannte „Silver Generation“ der über 50-Jährigen stellt eine wachsende Bevölkerungsgruppe mit einem hohen Anteil an den globalen Mode-Ausgaben dar. Im Jahr 2025 wird diese Gruppe voraussichtlich für 48% des zusätzlichen Wachstums der globalen Ausgaben stehen.
• Wachsendes Kostenbewusstsein: Makroökonomischer Druck und steigende Preise führen zu vermehrt kostenbewusstem Verhalten bei den Verbrauchenden. Das hilft Segmenten mit gutem Preis-Leistungs-Verhältnis wie Secondhand, Discount und Duplikate (Dupes)
• Die menschliche Seite des Verkaufs: Um das Einkaufen im Geschäft attraktiver zu gestalten, sollten Marken das Einkaufserlebnis differenzieren. Ein wichtiger Hebel ist die Verbesserung von Service und Beratung durch das Verkaufspersonal. 75% der Käufer:innen sind bereit, mehr auszugeben, wenn sie hochwertige Beratung erhalten haben.
• Marktplätze unter Druck: Nach einer turbulenten Zeit für Luxus-E-Commerce-Plattformen sind nun auch Plattformen im Nicht-Luxus-Segment betroffen. Die Aktienkurse von Online-Mode-Marktplätzen sind zwischen Januar 2021 und September 2024 um durchschnittlich 77% gesunken.
• Showdown im Markt für Sportbekleidung: Der Kampf zwischen Herausforderern und etablierten Marken im wachsenden Sportbekleidungsmarkt wird intensiver. Schnell wachsende Challenger-Marken werden voraussichtlich 57% des wirtschaftlichen Gewinns im Sportbekleidungssegment für sich verbuchen, fast eine Verdreifachung seit 2020.
• Exzellenz bei den Beständen: Das so genannte „inventory“ bleibt eine Herausforderung für die Branche, wobei sowohl Überbestände als auch Fehlbestände die Marken beeinflussen. Im Jahr 2025 werden Margendruck und Nachhaltigkeitsvorschriften dafür sorgen, dass die End-to-End-Planung in diesem Bereich eine größere Rolle spielt. Die Modeindustrie produzierte 2023 schätzungsweise zwischen 2,5 Milliarden und 5 Milliarden überschüssige Artikel, was einem Umsatz von 70 Milliarden bis 140 Milliarden Dollar entspricht.
• Das Nachhaltigkeitskollektiv: Da die Dekarbonisierungsbemühungen die Ziele verfehlen und Verbraucher zurückhaltender geworden sind, für nachhaltige Produkte mehr auszugeben, sollten Modemarken und Lieferanten gemeinsam handeln, um ihre Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawandels zu verstärken. Nur 18% der Mode-Führungskräfte stufen Nachhaltigkeit als eines der drei größten Risiken für das Wachstum im Jahr 2025 ein, verglichen mit 29% für 2024.