1. Warum ist das wichtig?
Wie wichtig ein resilienter digitaler Staat in Krisenzeiten ist, zeigt die Ukraine: Das Land hat schon vor Jahren alle wichtigen Daten, Prozesse und Strukturen als digitale Kopien in der Cloud angelegt – und bleibt nun trotz aller Widrigkeiten handlungsfähig. So ist es dem Land gelungen, ein umfassendes Paket digitaler Behördendienste auch in Zeiten des Kriegs aufzubauen. 70 wichtige öffentliche Dienste stehen zur Verfügung und es wird angestrebt, bis 2024 alle Behördendienste zu digitalisieren.
Von solch einer außergewöhnlichen digitalen Leistungsfähigkeit und Sicherheit könnte auch Deutschland profitieren. Denn was passiert, wenn Hacker nicht nur Gemeindeverwaltungen für ein paar Wochen lahmlegen, sondern Bundesbehörden für Monate? Oder wenn Public Clouds in anderen Ländern abgeschaltet werden? Dann wäre es gut, wenn die öffentliche Verwaltung in Deutschland eine Sicherheitslösung für die digitale Infrastruktur hätte. Im Grunde also “digitale Zwillinge” der realen Institutionen, mit deren Hilfe Verwaltung und kritische Teile der Wirtschaft im Krisenfall digital weiterarbeiten können.
2. Wie funktioniert das?
Technische Voraussetzung für solche digitalen Zwillinge ist eine hochleistungsfähige, europäische digitale Infrastruktur, die auf Skalierbarkeit setzt. So ermöglichen z. B. Container-Technologien, Anwendungen von einer Cloud in eine andere zu verschieben. Damit kann eine schnelle, skalierbare und vertrauenswürdige Ergänzung bzw. Alternative zu Hyperscalern wie auch zu eigenen Rechenzentren aufgebaut werden.
Um solche Lösungen zu entwickeln, müssten große deutsche und europäische Digitalunternehmen nach Expertenschätzungen jedoch zwischen einer halben und zwei Milliarden Euro je Cloud investieren. Damit gewinnen diese Unternehmen zwar die Aussicht auf gute Geschäfte mit sicheren, resilienten Infrastrukturen. Dennoch dürften sie zu so hohen Investitionen nur bereit sein, wenn der Staat als “Ankerkunde” einen Anreiz setzt.
3. Was bringt das?
Digitale Zwillinge bieten nicht nur Krisensicherheit bei Cyberattacken, sondern noch weitere Vorteile:
— Datensouveränität. Da die Daten im eigenen Land gesichert werden, bleibt Deutschland hinsichtlich seiner Daten souverän, weil diese dem europäischen Datenschutz unterliegen – ohne Zugriffe von außen.
— Klimafreundlichkeit. Mit der Cloud-Nutzung lassen sich gegenüber älteren Rechenzentren rund 55 Prozent CO2 einsparen, was die Transformation zur klimaneutralen Verwaltung und Wirtschaft unterstützt.
— Wirtschaftliche Chancen. Nach Schätzungen erreicht der Weltmarkt für neue digitale Technologien bis 2025 ein Volumen von 2,2 Billionen Euro – auch in Europa liegt ein großer Teil des Wachstumspotenzials in den digitalen Märkten. Das eröffnet Chancen für innovative Unternehmen. Möglicherweise entsteht eine deutschland- bzw. europaweite Plattform, auf der GovTech-Start-ups und Mittelstand ihre Leistungen dem Staat leichter in der Fläche anbieten können. So kann deutscher Datenschutz und Informationssicherheit zum Exportschlager werden.
4. Was ist jetzt zu tun?
Wenn sich Ministerien und Behörden zusammenfinden, kann sich Deutschland als Vorreiter im Bereich digitale Souveränität etablieren und die richtigen Rahmenbedingungen
schaffen – z. B. bezüglich technischer Standards, Sicherheits- und Datenschutzanforderungen.
Zugleich ist es wichtig, frühzeitig zu bewerten, welche Daten und IT-Funktionen sich für die Cloud eignen und wie der Transfer funktionieren würde. Der Erfolg der Cloud wird nicht durch einzelne Anwendungen bestimmt, sondern durch die Breite und Geschwindigkeit der Erneuerung. Es gilt jetzt also, zügig die richtigen Partner zusammenzubringen und gemeinsam Deutschlands digitale Sicherungskopie aufzubauen, um umfassende staatliche Resilienz zu erreichen.
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